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Shure Aonic Free: Die Kopfhörer zum Verzweifeln

Die Shure Aonic Free wollen Premium-Sound liefern, aber überzeugt auch das Drumherum? Der Test gibt Antwort.

Shure Aonic Free
Anders als die Anderen: Die Shure Aonic Free sehen eigenwillig aus. © IMTEST

Shure gilt als Profi für hochwertige Audio-Produkte und Tonstudio-Bedarf. Vom Mikrofon bis zum Mischpult ist alles im Sortiment zu finden. Auch True-Wireless In-Ears tummeln sich seit einiger Zeit im Sortiment. Die Shure Aonic Free bewirbt der Hersteller dabei mit Phrasen wie “Elegantes und kompaktes True-Wireless-Design” oder “Transparenter Klang in Studioqualität mit tiefen Bässen”. Wer die Hörer aber in der Hand hält, stellt schnell das Gegenteil fest. Und auch nach längerer Nutzung will sich einfach kein Premium-Gefühl einstellen. Woran das liegt und ob die Kopfhörer trotzdem noch glänzen können, klärt der Test.

Shure Aonic Free: Alles andere als elegant

Shure Aonic Free
Große Stöpsel: Die Ohrstücke der Aonic Free sind sehr ausladend. © IMTEST

Schon beim Auspacken fällt auf: Filigran sind die Aonic Free nun wirklich nicht. Allein die Ladebox misst mit 9 x 5,5 x 3,5 Zentimetern fast doppelt so viel, wie die Aufbewahrungscases anderer Kopfhörer. Vermutlich sind die Größenangaben aus diesem Grund auch nicht auf der Herstellerseite zu finden. Dort spricht Shure von einem “ultrakompakten” Transportcase” – das ist schlichtweg gelogen. Der USB-C-Anschluss der nicht für die Hosentasche geeigneten Box ist dafür aber zeitgemäß.

Die Ohrhörer selbst sind, entgegen der Herstellerangabe, auch nicht mit zwei zugekniffenen Augen als “elegant und kompakt” zu bezeichnen. Zwar sind die eigentlichen Passstücke für den Gehörgang recht klein, an ihnen sitzt aber eine ausladende Partie, in der sich die Technik verbirgt. Die misst ihrerseits 3,5 Zentimeter und ragt beim Tragen weit aus dem Ohr heraus. Sie erinnern aus den Ohren herausstehend unweigerlich an Frankensteins Monster. Frech: Shure zeigt die Aonic Free auf Produktbildern stets von vorn oder in einem Winkel, der das ganze Ausmaß der Hörer verbirgt. Einen vergleich von Werbung und tatsächlichem Produkt sehen Sie unten.

Shure Aonic Free im Vergleich.
Links die Werbung, rechts das Original. © Shure/IMTEST

An der Oberseite der Hörer befinden sich kleine Drucktaster für die Steuerung. Die dünnen Plastikknöpfe sind nur schwer beim ersten Versuch zu finden und müssen häufig ertastet werden. Dadurch verrutschen die Shure Aonic Free meistens im Ohr und verlangen fummeliges Nachjustieren. Ansonsten ist der Sitz im Gehörgang aber sehr angenehm, es entsteht dabei kein Druckgefühl. Durch das weite Herausragen aus dem Ohr wippen die In-Ears allerdings beim Laufen und lösen sich so auf Dauer – für Sportler sind die Hörer also keine Empfehlung, obwohl sie nach IPX4-Schutzklasse gegen Schweiß und Spritzwasser geschützt wären.

Die Software: Mal gut, mal schlecht

Der Akku der Aonic Free versorgt die Kopfhörer gute 7,5 Stunden lang mit Strom. In der Transportbox steckt noch genug Saft für zwei weitere volle Ladungen und noch ein bisschen Restenergie, sodass die Hörer insgesamt auf rund 24 Stunden Spielzeit kommen. Das sind ganz passable Werte. Auch die ShurePlus PLAY-App macht einen guten und aufgeräumten Eindruck. Dort findet sich neben Funktionen zur Neubelegung der Tasten auch ein sehr potenter Equalizer mit vielen Möglichkeiten zur Feinjustierung. Beim ersten Start der Kopfhörer lädt man über die App außerdem eine neue Firmware-Version.

Das Firmware-Update über die App dauert dann aber fast 20 Minuten. In dieser Zeit kann man die Kopfhörer und auch das Smartphone nicht verwenden, weil die ShurePlus PLAY-App geöffnet bleiben soll. Während des Tests im Home Office ließ sich in der Zeit prima das Bett neu beziehen, die Wäsche abhängen, eine weitere Maschine ansetzen und am Ende blieb immer noch Zeit für einen Kaffee.

Shure Aonic Free App
Schöne App: Die ShurePlus PLAY-App ist umfangreich. © Shure

Auch das Koppeln mit Endgeräten läuft nicht immer rund. Hin und wieder versagte einer der Ohrhörer unabhängig vom Anderen den Dienst und wollte erst wieder spielen, nachdem die Aonic Free einmal in ihr Ladecase zurückwanderten. Beim Herausnehmen aus den Ohren pausieren die Kopfhörer dabei übrigens nicht automatisch. Auch der Wechsel zwischen mehreren Geräten ist eine Stolperpartie: Mal gelingt der Sprung vom Laptop aufs Handy, mal geht nach einem Wechsel gar nichts mehr.

Die Shure Aonic Free klingen gut

So sehr die Kopfhörer zum Haareraufen verleiten, so wenig kann man ihnen ihr Klangbild vorhalten. Die Aonic Free spielen sehr sauber und zeichnen differenzierte Tonwelten, in denen einzelne Instrumente ganz klar voneinander zu unterschieden sind. Auch Beats und Stimmen dringen knackig ans Ohr, Höhen sind scharf und klar. Auf der Website verspricht Shure an dieser Stelle einen “transparenten Klang in Studioqualität mit tiefen Bässen” – aber genau das stimmt schon wieder nicht.

Shure Aonic Free
© IMTEST

Die Aonic Free neigen dazu, Tiefen zu verschlucken und eher die Höhen präsenter in den Vordergrund zu rücken. Mit App und Equalizer lässt sich dieses Phänomen auch nicht vollends ausgleichen. Ein weiterer Blick auf die Website verspricht eine “Sound Isolating Technologie”, die “Umgebungsgeräusche um bis zu 37 dB reduzieren” soll. Dabei handelt es sich aber keinesfalls um eine aktive Geräuschunterdrückung, wie sie etwa die OnePlus Buds Z2 liefern. Stattdessen beschreibt Shure damit den Effekt, dass die In-Ears den Gehörgang verschließen und so weniger Geräusche in das Ohr dringen. Wirklich spürbar ist der Effekt nicht, Gespräche sind auch mit den größten Ohrstücken noch klar verständlich. Und eigentlich verschließt doch so gut wie jeder In-Ear-Kopfhörer das Ohr, oder nicht?

Shure Aonic Free Cases im Vergleich
David gegen Goliath: Gegen die kompakte Box der Sony LinkBuds erscheint das Shure-Ladecase riesig. © IMTEST

Wer seine Umgebung noch deutlicher wahrnehmen möchte, kann auch den Ambient Mode der Aonic Free einschalten. Der nimmt über Mikrofone die Umgebungsgeräusche auf und sendet sie durch die Hörer ans Ohr. Leider ist im aktivierten Modus ein sehr deutliches permanentes Grundrauschen zu hören. Dafür machen die In-Ears bei Telefonaten eine gute Figur uns liefern eine klare Stimmübertragung.

FAZIT

Nach dem Test der Shure Aonic Free fällt es schwer, noch ein paar positive Eigenschaften aufzuzählen. Augenscheinlich haben die Ingenieure bei Shure ein Händchen für Klang, aber keines für Nutzerfreundlichkeit. Besonders der Blick auf die Herstellerwebsite irritiert – denn dort verspricht man Dinge, die schlichtweg nicht stimmen. Mittlerweile gibt es passable In-Ears mit gutem bis überdurchschnittlich gutem Klang um die 120 Euro. Warum man dann 199 für die Aonic Free ausgeben sollte, ist fraglich.

  • PRO
    • Toller klang mit feinen Differenzen, gute Akkulaufzeit.
  • KONTRA
    • Ladeschale riesig groß, keine aktive Geräuschunterdrückung, fragwürdige Herstellerversprechen, merkwürdiger Sitz im Ohr.

IMTEST Ergebnis:

befriedigend 2,8

Max Sellmer

Als bekennender “Digital Native” schreibt Max Sellmer seit mehreren Jahren über Unterhaltungselektronik und Online-Trends. Der studierte Medien- und Kommunikationssoziologe arbeitete bereits als Redakteur für die Computer Bild und realisierte in Agenturen Werbekampagnen mit bekannten deutschen Influencern. Begeistert verfolgt er die Entwicklung sozialer Medien und die immer tiefere Vernetzung alltäglicher Lebensbereiche. Für IMTEST betreut er die News-Rubrik, produziert und moderiert Videoinhalte und testet natürlich von Toaster bis Cyber-Brille unterschiedlichste Produkte.