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Der Landwirtschafts-Simulator 22 im Test: Ab auf den Acker!

Auf dem Traktor über das Feld tuckern – so fing 2008 alles an. Wo die Simulation angekommen ist, klärt der IMTEST.

Screenshot Roter Trecker pflügt Acker
Beim Landwirtschaftssimulator eigene Felder beackern © Giant Games

Was für die einen die tägliche Routine ist, ist für die anderen Entspannung pur. Während bei Flugsimulatoren, in denen der Spieler den Job des Piloten übernimmt, und bei Renn-Sims für Hobby-Rennfahrer die Faszination für die meisten auf der Hand liegt, war der Mega-Erfolg des Landwirtschafts-Simulators schon eine Überraschung. Aber eine, die bis heute geblieben ist. Diesmal haben sich die Schweizer Entwickler Giant Games deutlich länger Zeit gelassen als sonst, um eine neue Version zu schaffen – was kann der Landwirtschafts-Simulator 22?

Produkdetails

  • 43,99 Euro
  • USK 0
  • PC, PS4, PS5, Xbox Series X

Landwirtschafts-Simulator 22: Darum geht es

Als Farmer mit eigenem kleinem Hof kann der Spieler hier all das tun, was die tägliche Arbeit in der Landwirtschaft ausmacht: Säen, jäten, ernten und die Erträge der eigenen Felder dann verkaufen. Mit dem Geld kann der Spieler beispielsweise in Viehzucht investieren oder sich Spezialgeräte für andere Feldfrüchte zulegen. Ein echtes Spielziel gibt es beim Landwirtschafts-Simulator 22 nicht, der Spieler ist frei in seinen Entscheidungen, was er auf seinem Hof machen möchte – und was nicht.

Die Neuauflage bietet dafür drei verschiedene Karten an, auf denen der Spieler wahlweise seinen Hof ansiedelt. So ist Elmcreek eine Einladung für alle USA-Fans, sich im Mittleren Westen des Landes eine Farm anzuschaffen. Haut-Beyleron führt den Hobby-Bauern nach Frankreich und die bereits bekannte, aber überarbeitete Erlengrat-Karte liegt in den Alpen.

Wohnhaus neben Roter Farm vor Wald mit goldenen Bäumen
Mit der Karte „Elmcreek“ können Spieler nun auch im Mittelwesten der USA spielen.
Kleine Straße vor kleinen Bauerhäusern
Haut-Beyleron heißt der idyllische Ort in Frankreich, an dem der Spieler mediterranes Flair erleben kann.

Nur wenig Starthilfe

Ein Schock erwartet den kompletten Neuling im Spiel aber in jedem Fall, egal welche Karte er wählt. Der Landwirtschafts-Simulator 22 bietet ein Tutorial an, das nach lediglich zwei Tipps endet. So lernt der Jungbauer, wie man in einen Traktor steigt und die Fahrt dann einem Helfer überlässt, der automatisch eingestellt wird. Danach soll er zu einem grünen Bereich gehen, wo ein weiteres Fahrzeug darauf wartet, bestiegen zu werden. Und nun wird ein abgeerntetes Feld gepflügt, um bereit für eine neue Saat zu sein.

Mehr Hilfen gibt das Spiel danach nicht mehr, auf einen weiteren grünen Bereich mit den nächsten Arbeitsschritten wartet der Spieler vergeblich. Zwar finden sich im Menü Tipps in schriftlicher Form, die ersetzen die Anleitungen direkt im Spiel aber in keinster Weise.

Roter Traktor auf gepflügtem Feld
Bevor neu gesät wird, sammelt der clevere Farmer die Steine vom Acker – mit entsprechendem Gerät. © Giant Games, IMTEST

Neulinge unerwünscht?

Wo bekomme ich Saatgut her? Wie befülle ich ein Fahrzeug damit? Mit diesen und vielen weiteren Fragen lässt der Landwirtschafts-Simulator 22 den Anfänger im Regen stehen. Da lässt sich nur attestieren: Neulinge sind dem Entwickler offenbar nicht so wichtig. Denn einen schlechteren Einstieg in ein mittlerweile durchaus komplexes Spiel gab es lange nicht. Wollte man nicht oder liegt es daran, dass die Macher schon so lange an dem Produkt arbeiten, dass ihnen ein Neuling mit seinen Einstiegsproblemen gar nicht mehr in den Sinn kommt? Hier darf gern ein Patch mit einem vernünftigen Tutorial folgen, liebe Entwickler von Giant Games!

Vieles neu nach langer Pause

Wenn sie auch den Einstieg vernachlässigt haben, faul waren die Programmierer vom Landwirtschafts-Simulator 22 ganz sicher nicht. Denn die neueste Version des Landwirtschafts-Simulators bietet einen ganzen Sack voll Neuerungen:

Erstmals in einem LS gibt es simulierte Jahreszeiten, nach denen sich Aussaat und Ernte richten. Im Spiel selbst lässt sich dazu ein Kalender aufrufen, der anzeigt, wann welche Feldfrucht ausgebracht, gepflegt und geerntet werden sollte. Zudem wirken sich die Jahreszeiten auch auf die Preise für Waren aus. Farmer, die auf das neue System keine Lust haben, können die Jahreszeiten aber in den Optionen ausstellen und so spielen, wie sie es von früheren Ausgaben des Spiels gewohnt sind – im ewigen Sommer.

Produktionsketten waren schon lange ein Thema auf der Wunschliste der Community. Nun sind sie erstmals im Spiel. Der Farmer kann nun seine Felderzeugnisse weiterverarbeiten lassen und aus Weizen Mehl, aus Mehl Brot und aus Brot Geld durch Verkauf machen. Neben Brot lassen sich auch Zucker, Cornflakes, Öl und andere Dinge herstellen und verkaufen.

Allerdings kann der Spieler auch jederzeit längere Produktionsketten auslassen und Zwischenprodukte verkaufen. Verloren gehen kann hier also nichts, Gewinn macht der Farmer immer – mit weiterverarbeiteten Produkten aber eben mehr als mit dem Korn vom Feld. Die entsprechenden Betriebe müssen allerdings vorher gebaut werden, aus dem Nichts funktionieren die neuen Produktionsketten also nicht.

Neue Früchte sind ebenfalls im Spiel. Nun kann der Spieler im Landwirtschafts-Simulator 22 auch Trauben und Oliven pflanzen und diese Früchte weiterverarbeiten – zu Traubensaft oder Rosinen und zu Öl. Das funktioniert aber nur auf der mediterran gehaltenen Frankreich-Karte. Wer auf edlen Wein hofft, wird enttäuscht: Als USK 0-Spiel ist Alkohol als Inhalt nicht erlaubt.

Auch neu im Spiel: Gewächshäuser. Hier lassen sich Früchte wie Tomaten oder Erdbeeren produzieren. Das ist besonders im Winter interessant, wenn sich auf den Feldern keine Einnahmen erzielen lassen, weil die Natur ruht. Denn durch die Verkäufe aus Gewächshäusern kann der Farmer dennoch Geld verdienen.

Ebenfalls neu ist ein Charakter-Editor, der es dem Spieler erlaubt, einen Avatar von sich ins Spiel zu bringen. Die Auswahl an Gesichtern, Frisuren und Kleidung ist allerdings im Vergleich zu anderen Spielen nicht sonderlich groß.

Der Mehrspieler-Modus funktioniert mit dem Landwirtschafts-Simulator 22 nun auch per Crossplay. Also können Konsolenbesitzer endlich mit PC-Spielern gemeinsam agieren und den schönsten und erfolgreichsten Bauernhof erschaffen. Oder einfach gemeinsam in Ruhe über die Felder pflügen und dabei entspannen.

Verschneite Landschaft mit rotem Bauernhaus
Erstmals gibt es im Landwirtschafts-Simulator Jahreszeiten – also auch Schnee. Wer ewigen Sommer möchte, schaltet die Funktion einfach aus.
Screenshot Kalender
Auf dem Jahreszeiten-Kalender lässt sich ablesen, wann welche Saat in den Boden gehört und wann Erntezeit ist.
Screenshot Bauer und Menü zur Handschuhauswahl
Mit einem Charakter-Editor kann der Spieler sich jetzt sein Alter Ego als Farmer erstellen.

Was bietet der Landwirtschafts-Simulator 22 noch?

Eigentlich sind Landwirtschafts-Fans hier wunschlos glücklich. Der Landwirtschaftssimulator 22 bietet Unmengen von Fahrzeugen, die den realen Modellen von Firmen wie Deutz oder Fendt: Mehr als 400 Exemplare stehen für den angehenden Farmer bereit. Damit lassen sich sowohl Ackerbau als auch Viehzucht und Forstwirtschaft betreiben und die jeweiligen Erzeugnisse gewinnbringend verkaufen, um den Hof und den Fuhrpark zu vergrößern.

Grüne Maschine von Claas auf braunem Feld
Auch im neuen Teil der Reihe legen die Entwickler großen Wert auf reale Landmaschinen-Modelle im Spiel. © Giant Games, IMTEST

Für Fans der Tierzucht und Hege stehen sechs Nutztier-Arten zur Verfügung: Neben Kühen, Schafen und Schweinen kann der Spieler auch Hühner, Pferde und sogar Bienen (neu im Spiel) halten. Geschlachtet wird Fleischvieh hier aber nicht, die Tiere werden einfach verkauft und sind dann aus dem Spiel. Grafisch haben sich die Tiere seit dem letzten Teil der Reihe ein wenig weiterentwickelt und sehen etwas besser aus als früher – einen Quantensprung sollten erfahrene LS-Spieler aber nicht erwarten. 

Bunte Reihe an gestapelten Bienenstöcken im Grünen
Erstmals kann der Farmer im neuen Spiel auch Bienen züchten und Honig ernten.
Kühe stehen im Stall in der Reihe mit den Hinterteilen zur Kamera
Auch die Viehzucht ist im neuen Landwirtschafts-Simulator wieder möglich. Geschlachtet wird aber nicht.
Schimmel auf Wiese mit anderen Pferden im Hintergrund
Die Entwickler haben auch an der Grafik geschraubt, was bei den Tieren besonders auffällt.

Keine Top-Grafik

Das gilt auch für den Rest der Simulation. Zwar halten die Fahrzeuge durchaus den Vergleich mit einem Foto stand, was den Wiedererkennungswert angeht, aber von einem Microsoft Flugsimulator oder einem Forza ist die Grafik Lichtjahre entfernt. Natürlich gibt es überall kleine Verbesserungen, aber den Vergleich mit einem internationalen Top-Titel verliert der Landwirtschafts-Simulator 22 im Test auf ganzer Ebene.

Das ist zwar schade, aber absolut nachvollziehbar. Denn die Grafik frisst bei jedem größeren Entwickler den Löwenanteil der Ressourcen – und die Fans der Spiele können mit der bestehenden Optik ganz offenkundig gut leben. Warum also mehr Energie und Arbeitskraft hineinlegen als unbedingt nötig? Zumal Giant Games schon seit Jahren eng mit der Community verzahnt ist und die Wünsche der Fans stets auf dem Zettel hat. Und da scheinen andere Inhalt wichtiger zu sein als die Optik.

Zaun vor Olivenhain
In Frankreich lassen sich Oliven anbauen – und der Hain der Olivenbäume sieht wirklich gut aus. © Giant Games, IMTEST

So spielt sich das Spiel

Der Landwirtschafts-Simulator 22 lässt den Spielern eine seltene Wahl: Hier kann jeder selbst entscheiden, wie stressig oder entspannend das Spiel abläuft. Wer möchte, kann sich richtig in die Arbeit stürzen, viele Dinge gleichzeitig anschieben und so seine Farm optimieren, neue Fahrzeuge kaufen, Fabriken errichten und vieles mehr.

Wer aber einfach nur in Ruhe mit seinem Traktor über Felder fahren möchte, die Weizenernte einholen und in den Silo bringen und sich über das immer kleiner werdende gelbe Feld und die wachsende braune Fläche freuen möchte, kann das genauso tun, ohne dass das Spiel es übelnimmt. Diese spielerische Freiheit ist neben dem beliebten Setting des Landlebens sicher einer der großen Pluspunkte der Reihe.

Landwirtschafts-Simulator 22 für Liebhaber

Dennoch bleibt die Reihe speziell. Als Wirtschaftssimulation streckt der Landwirtschafts-Simulator 22 vorsichtig den Kopf vor, ist aber von anderen Handels- und Wirtschaftssimulationen noch ein Stück entfernt. Die Fahrphysik der Fahrzeuge ist auch bestenfalls rudimentär vorhanden, selbst wenn die Entwickler für den neuesten Teil am Sound der Motoren geschraubt haben. Es muss also das Gesamterlebnis sein, dass so viele Spieler dazu bringt, sich hinter das Lenkrad eines Traktors zu schwingen und das Feld hinauf und auch wieder hinunterzufahren. Liebe lässt sich eben manchmal nicht erklären. Und das ist ja auch gut so.



FAZIT

Während der Landwirtschafts-Simulator 22 Neulinge auf breiter Front vor den Kopf stößt und so gut wie nichts bietet, was den Einstieg erleichtert, werden alteingesessene Fans der Reihe von den zahlreichen Neuheiten im Spiel begeistert sein. Denn mit Jahreszeiten und Produktionsketten kommen zwei der langgehegten Wünsche der Community erstmals ins Spiel. Dass sich an der Grafik nur wenig getan hat, lässt sich da gerade für diese Zielgruppe sicher verschmerzen.

Und mit mehr als 400 landwirtschaftlichen Fahrzeugen kann sich der LS 22 sogar mit dem einen oder anderen Rennspiel messen, was die Masse an Auswahl angeht. Wer bisher nichts mit dem Spiel anfangen konnte, wird vermutlich auch mit dem neuen Teil kein Fan. Wer aber früher schon gern seine Runden auf dem Acker zog, dürfte vom neuen Angebot entzückt sein.

  • PRO
    • Viel Auswahl an Fahrzeugen und Spielinhalten, verbesserte Grafik, erstmals Jahreszeiten im Spiel
  • KONTRA
    • Hohe Hürden für Neulinge, wenig Fahrzeug-Simulation

IMTEST Ergebnis:

gut 2,5

Markus Fiedler

Markus Fiedler ist freier Journalist und Autor, sein Herz schlägt vor allem für den Bereich Entertainment. Er verbringt seit vielen Jahren einen großen Teil seiner Zeit im Kino oder vor dem Fernseher – und hat damit sein Hobby zum Beruf gemacht. Nach einem abgeschlossenen Volontariat in seiner Heimatstadt Göttingen war Fiedler Gründungsmitglied des Spielemagazins Computerbild Spiele im Jahr 1999 und arbeitete dort 13 Jahre lang als Testredakteur. Seitdem ist er freiberuflich für verschiedene Kunden tätig. Für IMTEST testet er vor allem Technik und Software, mit der man seine Freizeit verbringt: Netflix und Spotify zum Beispiel, aber auch neue Spielekonsolen wie Playstation 5 und Xbox Series X.