Ein Kind zum Tragen eines Fahrradhelms zu bewegen, ist nicht immer leicht. „Zu uncool“ oder „stört“ sind oft die schnellen Ausreden. Eine Helmpflicht gibt es Deutschland zwar nicht, aber dennoch ist es mehr als ratsam, einen Kopfschutz zu tragen. Gerade Kinder gehören zu den schwächsten Teilnehmern im Straßenverkehr. Oft kennen sie die Regeln noch nicht gut genug, unterschätzen Situationen oder werden aufgrund ihrer Größe etwa von Autofahrern einfach übersehen.
IMTEST hat fünf aktuelle Markenmodelle von Abus, Alpina, Giro, Specialized und Uvex zwischen 49,95 bis 85 Euro sowohl in der Praxis als auch im Prüflabor des TÜV Süd getestet. Wie gut sie sich von Kindern beim Radfahren tragen lassen und wie robust sie selbst starken Stürzen widerstehen, lesen Sie hier.
Studie zeigt Schutzwirkung durch Kinder-Fahrradhelme
Aktuell hat die Statistik-Plattform Statista eine Studie veröffentlicht, in der basierend auf Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen und des Statistischen Bundesamts die Zahl der getöteten Fahrradfahrer im Straßenverkehr mit der Tragequote von Helmen verglichen wird. Liest man die Zahlen der Studie aufmerksam, lässt sich die gesunkene Anzahl getöteter Fahrradfahrerinnen und -fahrer mit dem gleichzeitigen Anstieg der Helmtragequote in Verbindung bringen.
Was auf der einen Seite wie eine erfreuliche Entwicklung aussieht, hat auf der anderen Seite dennoch einen bitteren Beigeschmack. Mehr als 350 Radfahrende, die im 2021 auf deutschen Straßen ums Leben gekommen sind, sind 350 getötete Radlerinnen und Radler zu viel. Im Vergleich zu Dänemark, das zwar bei Weitem nicht so bevölkerungsstark ist wie Deutschland, gab es laut dänischer Verkehrsbehörde 2021 nur 25 tödlich verunglückte Radfahrer. Eine Zahl, die sicher auch von einer besser funktionierenden Infrastruktur für Radfahrer resultiert. Denn die haben in Großstädten überwiegend ihre eigenen Wege und daher – wo möglich – kaum, beziehungsweise keine Berührungspunkte mit dem Autoverkehr.
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Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen tragen übrigens etwa 82 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren einen Helm, bei den elf bis 16-jährigen sind es nur noch 54 Prozent. Bei Erwachsenen ist es noch nicht mal jeder Dritte, der seinen Kopf schützt.
Kinder-Fahrradhelme: Die perfekte Passform finden
Helm ist nicht gleich Helm. Trotz der optischen Komponente ist das Wichtigste, dass der Helm richtig passt. Er darf weder schief sitzen, noch wackeln oder zu tief in den Nacken ragen. Er sollte zudem die Stirn, die Schläfen und den gesamten Hinterkopf gut bedecken. Alle Testmodelle haben eine weiche, auswechselbare Polsterung, damit nichts drückt. Mit einem kleinen Rad an der Rückseite können alle Helme individuell an den Kopf angepasst werden. Die Modelle von Abus und Alpina haben darüber hinaus eine zusätzliche vertikale Größenverstellung im Inneren. Der Kinnverschluss sollte so eingestellt sein, dass gerade noch ein Finger zwischen Verschluss und Kinn passt. Da letztendlich jeder Kinderkopf individuell ist, empfiehlt es sich, das Kind beim Kauf mitzunehmen.
Diese Voraussetzung müssen alle Kinder-Fahrradhelme erfüllen
Damit Helme überhaupt in Deutschland verkauft werden dürfen, müssen sie die Norm DIN EN 1078 erfüllen. Diese besagt, dass Fahrradhelme eine Auftreffgeschwindigkeit von 19,5 Stundenkilometer überstehen müssen. Gemessen wird das bei einem Sturz mit 250-facher Erdbeschleunigung. IMTEST hat bereits auch Helme für Erwachsene getestet.
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Extra Sicherheit durch Mips
Mips bedeutet Multi Directional Impact Protection System und ist eine zusätzliche Sicherheitstechnologie, die einige Helme, wie von Specialized und Giro, in diesem Testfeld bieten. Dabei befindet sich eine zweite bewegliche Schale unter der Außenschale, die direkt auf dem Kopf aufliegt. Kommt es zu einem schrägen Aufprall, wird die aufkommende Rotationskraft durch diese bewegliche Schale umgeleitet. Das soll dem Kopf zusätzlichen Schutz geben.
So gut schützen die Kinder-Fahrradhelme
Die fünf Testmodelle mussten sich beim TÜV Süd vier verschiedenen Prüfungen unterziehen:
- Abstreiftest
- Stoßprüfung frontal
- Stoßprüfung seitlich
- Kinnriementest
Beim Abstreiftest wurde getestet, wie gut der Helm bei einem Sturz am Kopf bleibt. Dabei liegt der Helm eng am Testkopf, aber nur so weit, dass es für den Träger immer noch bequem wäre. Das Ergebnis: Bei allen Helmen verschieben sich die Gurtbänder minimal zwischen 12,8 Grad beim Abus bis 20,5 Grad beim Specialized.
Nur beim hlmt 4 von Uvex fällt die Verschiebung mit 32,4 Grad etwas größer aus. Die Helmschale kann sich vergleichsweise weit nach vorne schieben. Da der Helm aufgrund seiner Konstruktion aber einen sehr großen Bereich des Kopfes abdeckt, erfüllt er ebenso wie die anderen Modelle die Anforderungen, die die Testnorm DIN EN 1078 vorgibt. Dadurch ist das Ergebnis sicherheitstechnisch unbedenklich.
Das passiert beim Aufprall
Bei zwei Stoßprüfungen mit erhöhter Aufprallgeschwindigkeit testete der TÜV, was bei einem frontalen und einem darauffolgenden seitlichen Crash passiert. Beim Frontalaufprall wurde sogar mit Werten, die 20 Prozent über der Norm liegen, gearbeitet. Es galt herauszufinden, ob die Testmodelle auch Reserven haben und ob sie auch bei einem härteren Aufprall ausreichend Stoßdämpfung bieten.
Das heißt: Mit rund 23,4 Stundenkilometern ließ der TÜV Süd die Helme aus 2,20 Metern Höhe frontal auf einen flachen Sockel aufschlagen. Erfreulich: Alle Modelle haben den Dummy-Kopf ausreichend gut geschützt. Bei allen Helmen ist das EPS (expandiertes Polystyrol = Baumaterial des Helms) zwar sichtlich beschädigt worden, Risse sind erkennbar, aber die Helmschale ist überall unversehrt geblieben. Bei einem Sturz über den Lenker mit frontalem Aufprall auf den Asphalt bieten alle Helme ausreichend Reserven auch wenn es über die Normvorgaben hinaus geht.
Ebenso unerschüttert wie zäh zeigten sich die bereits angeschlagenen Testkandidaten beim darauffolgenden Seitenaufprall aus knapp 1,90 Meter Höhe und einer Geschwindigkeit von 21,6 Stundenkilometer. Die gewählten Parameter liegen zehn Prozent über der Normvorgabe. Ergebnis: Bei allen Kandidaten bricht das EPS, aber die Helmschale ist immer noch unbeschädigt.
Bis auf das Modell von Abus bleiben alle Helme beim erneuten Schlag unter den Normvorgaben und unterbieten diese teils deutlich. Beim Youn_i 2.0 von Abus sind die Reserven zwar aufgebraucht, das heißt ein weiterer Stoß auf den Helm wäre gefährlich für den Kopf. Dennoch wurde auch beim Abus die Norm erfüllt und damit ein zufriedenstellendes Ergebnis geliefert.
Ingesamt lässt sich festhalten, dass auch bei einem zweiten starken Aufprall kein Helm Schwächen zeigt. Die Stabilität der Schalen ist selbst nach zwei Stoßprüfungen mehr als ausreichend.
Das passiert mit den Gurtbändern der Kinder-Fahrradhelme bei einem Unfall
In einer letzten Prüfung testete der TÜV Süd, wie sich der Kinnriemen nach einer ruckartigen Belastung verhält. Dabei sollte festgestellt werden, ob er reißt, sich dehnt und ob das Kinnschloss sich auch unter Belastung öffnen lässt. In der Praxis bedeutet das: So eng wie möglich, so bequem wie nötig. Aber auch hier glänzten alle Kandidaten mit guten Werten und blieben deutlich unter der Normanforderung.
1. Platz und Test- & Preis-Leistungssiger: Specialized Shuffle Child LED
Helm in sportlichem Design, mit Mips-Technologie und entnehmbarem Licht an der Rückseite.
- PRO
- Bestes Testergebnis und dazu noch mit dem besten Preis.
- KONTRA
- Mit 325 Gramm Gewicht ist der Specialized Shuffle Child LED der schwerste Helm von allen.
Zusammenfassung Testergebnisse:
- Ausstattung (10 %): befriedigend (2,8)
- Tragekomfort (25 %): gut (2,2)
- Schutz gegen Stürze – ermittelt durch TÜV SÜD (55 %): gut (1,9)
- Umwelt & Service (10 %): gut (2,0)
IMTEST Ergebnis:
gut 2,1
2. Platz Abus Youn_I 2.0
Großes und hoch angebrachtes LED-Licht sorgt für 180-Grad-Sichtbarkeit, wenn es dunkel und nebelig ist.
- PRO
- Möglichkeit, den Helm vertikal auf die Kopfgröße einzustellen.
- KONTRA
- Nach zwei simulierten Unfällen sind die Reserven aufgebraucht.
Zusammenfassung Testergebnisse:
- Ausstattung (10 %): gut (2,4)
- Tragekomfort (25 %): gut (1,6)
- Schutz gegen Stürze – ermittelt durch TÜV SÜD (55 %): gut (2,5)
- Umwelt & Service (10 %): gut (1,9)
IMTEST Ergebnis:
gut 2,2
3. Platz Alpina Pico Flash
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. In 3 knalligen Farben verfügbar, allein deswegen ein echter Hingucker.
- PRO
- Mit 233 Gramm der leichteste Helm unter den Testkandidaten.
- KONTRA
- Verpackung: Plastik und Pappkarton sind etwas zu viel des Guten.
Zusammenfassung Testergebnisse:
- Ausstattung (10 %): befriedigend (2,8)
- Tragekomfort (25 %): befriedigend (2,6)
- Schutz gegen Stürze – ermittelt durch TÜV SÜD (55 %): gut (2,0)
- Umwelt & Service (10 %): gut (1,9)
IMTEST Ergebnis:
gut 2,2
4. Platz: Uvex Hlmt 4
Ein cooler Helm, der nicht nur nach Fahrradfahren aussieht. Passt auch perfekt zu kleinen Skateboardern oder Inlineskatern.
- PRO
- Durch die runde Form liegt der Kopf gut und sicher im Helm.
- KONTRA
- Beim Abstreiftest zeigt der Uvex Hlmt 4 eine hohe Verschiebung am Gurtverteiler.
Zusammenfassung Testergebnisse:
- Ausstattung (10 %): ausreichend (4,5)
- Tragekomfort (25 %): gut (2,2)
- Schutz gegen Stürze – ermittelt durch TÜV SÜD (55 %): gut (2,3)
- Umwelt & Service (10 %): gut (1,8)
IMTEST Ergebnis:
gut 2,5
5. Platz: Giro Tremor Child Mips
Ob Sonne, Wolken oder Regen – bei Bedarf liefert der abnehmbare Helmschirm Schutz bei jedem Wetter.
- PRO
- Die tiefe und breite Rückseite schützt den Hinterkopf sehr gut.
- KONTRA
- Verstellschienen im Giro Tremor Child Mips wirken sehr locker.
Zusammenfassung Testergebnisse:
- Ausstattung (10 %): gut (2,5)
- Tragekomfort (25 %):befriedigend (3,3)
- Schutz gegen Stürze – ermittelt durch TÜV SÜD (55 %): gut (2,2)
- Umwelt & Service (10 %): gut (2,5)
IMTEST Ergebnis:
gut 2,5
FAZIT
Wer unter diesen fünf Helmen ein Modell für sein Kind sucht, liegt mit dem Specialized Shuffle Child LED goldrichtig. Aber auch alle anderen Modelle überzeugen mit guten Ergebnissen beim TÜV Süd. Oft sind es nur Nuancen, die hier den Unterschied machen, wie etwa ein vorhandenes Licht oder die Art der Verarbeitung.
Allerdings lässt sich sagen, dass kein Helm beim Öffnen und Schließen überzeugt. Bei keinem Modell ist dies einhändig möglich, Kinder müssen schon gerade anfangs etwas rumprobieren, um die Enden richtig ineinander zu stecken.
Ebenso fällt auf, dass die eingebaute Mips-Technologie beim Giro und beim Specialized nicht ausschlaggebend für die Ergebnissen zu sein scheint. Denn mit dem Specialized ist ein Mips-Helm auf Platz eins und mit dem Giro auf Platz drei.