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@cycle im Test: Kein Peloton-Killer

Das @Cycle soll ein ganzes Gym ins Wohnzimmer bringen. Warum das dem Fitness-Bike aber nicht gelingt, zeigt der Test.

@cycle Heimtrainer
© Horizon

Indoor Cycling ist ein Fitnesstrend, der einfach nicht totzukriegen ist. Schon unsere Mütter und Väter hatten oft ein Kettler-Gerät im Keller stehen. Und das aus gutem Grund: Heimtraining mit dem Fahrrad weist unschätzbare Vorteile für Jung und Alt auf.  Radfahren zählt schließlich zu den besten Ausdauersportarten. Vor allem, wer unter Gelenkproblemen beim Laufen leidet, kann sich weiter sportlich betätigen. Denn da der Körper beim Radfahren kein Gewicht tragen muss, verringert sich das Verletzungsrisiko durch Abnutzung der Gelenke erheblich, insbesondere der Knie. Ausgelöst durch den Peloton-Hype in den USA muss ein Fitnessbike heute aber interaktiv sein. So wie das @Cycle. Hersteller Horizon verspricht, dass per Knopfdruck durch das @Cycle ein ganzes Gym im Wohnzimmer entsteht: Möglich sind neben Cycling auch der Abruf von Kraft-, Yoga oder Tanzkursen. Was das Indoor-Bike tatsächlich auf dem Kasten hat, zeigt der Test.



@cycle: Erstklassige Verarbeitung

Mutig: Horizon ruft für das @Cycle sportliche 2.299 Euro auf. Das sind stolze 854 Euro mehr als Peloton für sein „Bike“ (1.445 Euro). Eines muss man Horizon aber lassen: Die Verarbeitung des 57 Kilogramm schweren Geräts ist erstklassig und erreicht Studio-Qualität. Nichts wackelt, nichts knarzt und alles fühlt sich hochwertig an. Lenker und Sattel lassen sich zudem einwandfrei vertikal sowie horizontal in kleinen Schritten verstellen, so dass sich das Fahrrad sehr gut an den eigenen Körper anpassen lässt. Ebenfalls positiv: Als Stellfläche reichen knappe 140 x 56,5 x 127 Zentimeter. Beim IMTEST-Testmodell erwies sich allein der leicht verbogene Hebel zum Einstellen des Widerstands als unsauber verarbeitet. Funktional stellte das allerdings kein Thema dar.

@cyle Sattelrohr
Höhe und Ausrichtung lassen sich beim @cycle sowohl am Lenker als auch am Sattel fein justieren. © IMTEST

Zu der nahezu perfekten Verarbeitung gesellt sich ein ansprechendes, schickes Design, das das @Cycle wohltuend von anderen Heimtrainern abhebt. Auffällig dabei: Das Schwungrad ist im Gegensatz zu vielen anderen Indoor-Fitnessrädern hinten verbaut. Laut Horizon ist es dadurch besser vor Schweißtropfen geschützt. Ebenfalls ein Hingucker ist der große 22 Zoll-Bildschirm mit Full-HD-Auflösung (1.920 x 1.280 Bildpunkten). Dieser verfügt über ein Gelenk, so dass er sich nach hinten klappen lässt. In dieser Position soll er dann für die besagten Kurse ohne Fahrrad zum Einsatz kommen. Unabhängig davon ist das Bild gut, der Klang aber ein wenig dünn.

@cyle Einstellknopf
Der Widerstand lässt sich über einen Einstellhebel regulieren – leider nur in 10 Stufen. © IMTEST

­@cyle: Angenehmes Fahrgefühl

Genau wie das Peloton-Bike und die meisten Spinning-Bikes arbeitet das @Cyle mit einem magnetischen Schwungrad, wodurch das Fahrrad abhängig vom eingestellten Grad beim Treten einen Widerstand erzeugt. Der Riemen und alle anderen mechanischen Teile des Antriebsstrangs verbergen sich hinter einer Abdeckung. Das verringert die Verletzungsgefahr und den Wartungsbedarf. Da der Magnet das Schwungrad nicht berührt, entstehen darüber hinaus weder unangenehme Geräusche, noch kommt es zu Verschleiß durch Abrieb. Das @Cycle läuft aber nicht nur wunderbar leise, der Rundlauf arbeitet zudem äußerst geschmeidig. Die Kombination sorgt für ein angenehmes, entspanntes Fahrgefühl.

@cycle Hinterrad
Ungewöhnlich: Das Schwungrad befindet sich beim @cyle hinten. © IMTEST

Typisch für ein Spinning-Bike: Es gibt keinen Freilauf. Das bedeutet, dass die Pedale auch ohne Belastung weiterdrehen. Damit es dabei zu keinen Verletzungen kommt, verfügt das @Cycle über einen Notstopp, der durch das Herunterdrücken des Widerstandshebel aktiviert wird. Apropos Widerstand: Die Bremswirkung lässt sich in lediglich 10 Stufen dosieren. Das ist im Verhältnis zu anderen Indoor-Bikes sehr wenig. Eine feinere Abstufung wäre, genau wie bei Gangschaltungen beim Fahrrad, begrüßenswert. Dazu kommt: Der maximale Widerstand dürfte für viele fortgeschrittene Biker zu gering sein. Da ein Powermeter fehlt, kann man sich nur auf berechneten Angaben in der Trainings-App verlassen. Hier werden auf höchster Stufe rund 330 Watt angezeigt.

Software & Kurse: Viele Baustellen

Unabhängig von der erstklassigen Hardware hat Horizon in Sachen Software einige sehr fragwürdige Entscheidungen gefällt.

Kursangebot Cyberobics
Das Kursangebot bei Cyberobics erwies sich im Test als übersichtlich, um es vorsichtig auszudrücken. © IMTEST

@cyle: Zweifelhaftes Kursangebot

Zu Beginn des Tests im Mai 2022 war auf der @Cycle-Internetseite von „Unzähligen Cyberobics On-Demand-Workouts“ die Rede. Bei den Tests sorgte das für einige Verwunderung: Denn bei der Suche nach Trainings mit 20 Minuten Länge spuckte das System gerade einmal drei Treffer aus. Bei 30 Minuten Länge waren es lediglich 5 Treffer.

Wie kann das bei einem so großen Kursangebot sein? Des Rätsels Lösung: Auf Anfrage war auf einmal nur von 150 Live-Kursen pro Woche die Rede, die darüber hinaus nur 7 Tage auf Abruf zur Verfügung stehen. Inzwischen hat Horizon die Formulierung auf der eigenen Internetseite korrigiert. Jetzt wirbt das Unternehmen nur noch mit 50 Live-Kursen pro Woche. Anders ausgedrückt: Die Kursauswahl ist sehr übersichtlich. Warum Horizon wie Peloton nicht alle bisher gezeigten Live-Kurse zum Abruf anbietet, ist nicht nachvollziehbar. Unabhängig vom dürftigen Angebot sind IMTEST noch einige weitere Unzulänglichkeiten rund um die Kurse aufgefallen. Hier einige Beispiele:

Weitere Schwächen des @cycle

  • Es gibt keine Pause-Funktion. Wenn es also an der Tür klingelt oder ein Kurs aus einem anderen Grund unterbrochen werden muss, existiert keine Möglichkeit zur Unterbrechung. Vor- und Zurückspulen geht ebenfalls nicht.
  • Bei den sogenannten „On-Demand“-Kursen, also gespeicherten Kursen, müssen Nutzer bis zu zwei Minuten warten, bis der Kurs beginnt.
  • Ferner fehlt ein Kurs-Filter zur Einstellung des Schwierigkeitsgrads: Einsteiger könnten sich in den zum Teil sehr anstrengenden Kursen überfordert fühlen.
  • Weiter geht’s: Die Cyberobics-Kurse leiteten bisweilen andere Trainer als auf dem Vorschaubild angekündigt.
  • In den Kursen fehlen mitunter konkrete Ansagen in Bezug auf Widerstand und Kadenz. Obendrein stimmt die Widerstandsanzeige zum Teil nicht mit der des @Cycle überein, sondern passt offenbar zu anderen Modellen. Ein Beispiel: Der Trainer fordert auf, den Widerstand um zwei bis drei Prozent zu erhöhen. Das funktioniert aber nicht bei nur 10 Widerstandstufen.
  • Die deutsche Übersetzung bei den amerikanischen Classes lässt sich nicht abschalten. Das nervt, da a) die deutschen Erklärungen nur sporadisch erscheinen und b) nur ein Bruchteil des Gesprochenen übersetzt wird.
  • Im Gegensatz zu Peloton werden die Kurse nicht mit Hits namhafter Künstler unterlegt, sondern mit GEMA-freier Musik. Darunter leidet die Atmosphäre.
  • Am Ende eines Kurses gibt es keine Trainingszusammenfassung, die beispielsweise die verbrannten Kalorien oder andere Metriken präsentiert.

Kurzum: Kursangebot und -Qualität erreichen nicht annähernd das Niveau von Peloton.

Falscher Trainer Cyberobics
Nicht schön, wenn statt der gewählten “Franziska R.” ein anderer Trainer auf dem Bildschirm erscheint. © IMTEST

Einsatz ohne Abo kaum möglich

Das @Cycle verkauft Horizon ausschließlich in Kombination mit einem Abo. Das kostet mindestens 9,99 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von mindestens 12 Monaten. Wer mit dem Kursangebot oder aus anderen Beweggründen mit dem Angebot unzufrieden ist, kann das @Cyle nicht mehr vernünftig einsetzen. Denn der große Bildschirm lässt sich ausschließlich für die Cyberobics-Kurse nutzen. Bedeutet: Weder YouTube, Netflix, Amazon-Prime, Peloton noch andere Dienste lassen sich auf dem Bildschirm wiedergeben. Zwar basiert das System auf Android, Horizon hat es aber abgeschottet, so dass sich weder Apps installieren lassen noch ein Browser nutzen lässt. Horizon verweist zwar auf den Modus „Just Ride“, der sich in der Tat auch ohne Abo starten lässt, dieser bietet aber lediglich eine Art Trainingscomputer.



Dazu kommt: Alternativ bietet das @Cycle nicht einmal eine Smartphone- oder Tablet-Halterung. IMTEST meint: Ein derart geschlossenes System ist nicht mehr zeitgemäß. Und nachhaltig ist es auch nicht. Falls Horizon irgendwann seinen Dienst einstellen sollte, ist der Bildschirm nur noch Elektroschrott. Sicher: Auf ein geschlossenes System setzen auch Peloton und andere Hersteller. Das macht die Sache aber nicht besser. 

Tipp: Per Trick lässt sich auf dem Bildschirm des @Cycle ein sogenannter Debug-Modus starten, über den sich dann etwa ein einfacher Browser öffnen lässt. Dazu ruft man die „Einstellungen“ auf, tippt länger auf „Lautstärke“, gibt den Code „3001“ ein und wählt „Ruhemodus“. Das stellt aber nur eine Notlösung dar, da sich in diesem Modus keine Einstellungen speichern lassen.

@cyle: Mangelnde Konnektivität

Zwar sind beim @cyle WLAN und Bluetooth an Bord, das dient allerdings lediglich zur Herstellung einer Internet-Verbindung zum Übertragen der Kurse beziehungsweise zur Kopplung von kabellosen Kopfhörern. Smartwatches oder andere Sensoren, egal welchen Typs, lassen sich nicht mit dem Gerät verbinden. Aus diesem Grund ist weder die Übertragung von Kadenz, Geschwindigkeit oder zurückgelegter Strecke auf die Smartwatch möglich, noch die Anzeige des von der Uhr ermittelten Herzschlags auf dem Bildschirm des @Cyles. Immerhin lassen sich Brustgurte für die Herzfrequenzmessung mit dem Indoor-Bike verbinden.

Fazit

Gute Hardware, schlechte Software: So ließe sich das @cyle in einem Satz beschreiben. Blöd nur, dass die gute Hardware fest an die schlechte Software gekoppelt ist und sich so keine anderen Apps oder Dienste mit dem @cycle nutzen lassen. Im Test verdiente sich das @clycle daher keine Empfehlung.

  • PRO
    • Sehr gute Verarbeitung. Entspanntes, ruhiges Fahrgefühl.
  • KONTRA
    • Kursqualität und -Quantität. Bildschirm lässt sich nur für Cyberobics-Kurse nutzen.

IMTEST Ergebnis:

befriedigend 2,6

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.