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Huawei Watch GT 4 im Test: Schön, aber auch gut?

Erobert die Huawei Watch GT 4 den Smartphone-Thron?

Huawei Watch GT 4
© Huawei

Smartwatches gibt es inzwischen in Hülle und Fülle. Was macht die Huawei Watch GT 4 so besonders? Vor allem wieder einmal eine sehr hochwertige und luxuriöse Optik, die ähnlich teure Smartwatches von Samsung, Google, Motorola und Garmin im Vergleich billig aussehen lässt. Dazu kommt ein ansprechender Bildschirm, ausgefeilte Sportfunktionen und die sehr gute Akkulaufzeit. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt.

Huawaei Watch GT 4 am Handgelenk
Die 46 mm-Version mit grauem Edelstahlarmband zählt definitiv zu den elegantesten Smartwatches. © Huawei

Watch GT 4: Die kann sich sehen lassen

Getestet hat IMTEST die große 46-mm-Version mit grauem Edelstahlarmband für eine UVP von 349 Euro. Ebenso erhältlich ist ein kleineres 41-mm-Modell für 249 Euro sowie diverse verschiedene Farbvarianten (siehe Widget unten). Das geprüfte Wearable verfügt über einen runden 1,46-Zoll großen OLED-Bildschirm mit 466 x 466 Bildpunkten und einer maximalen Helligkeit von 600 nits. Dies ist eine akzeptable Helligkeit, aber zumindest auf dem Papier deutlich weniger als zum Beispiel die Apple Watch 9 mit bis zu 2.000 nits. In der Praxis sind die Unterschiede allerdings nicht so groß, das Display besticht insgesamt durch gute Schärfe und Helligkeit.

 Challenges
Wer Abzeichen ergattern will, kann an abwechslungsreichen Herausforderungen teilnehmen. © IMTEST

Auch sonst kann sich die Huawei Watch GT 4 im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Das Design besticht durch Unauffälligkeit und Eleganz und hebt sich wohltuend vom üblichen Smartwatch-Einerlei ab. Ähnlich der Apple Watch verfügt die GT 4 neben einem Touchscreen über eine drehbare Krone und eine Taste an der Seite, was die Bedienung vor allem beim Sport vereinfacht. Das Edelstahlarmband verleiht der Uhr ein robustes und edles Aussehen, allerdings auf Kosten eines zusätzlichen Gewichts (48 g). Für das tägliche Tragen ist das Gewicht in Ordnung. Beim Sport kann es jedoch stören.

Sportfunktionen: Erste Liga

Im Inneren hat Huawei den vom Vorgänger bekannten Herzfrequenzmesser verbaut, der nicht nur über viele Lichtsignalempfänger verfügt, sondern auch gewölbt ist, was der Genauigkeit der Pulsmessung zugutekommen soll. Das funktioniert. Im Vergleich zu einem Brustgurt sind die Unterschiede bei der Herzfrequenzmessung marginal. Ebenfalls gut: Insgesamt greift die Watch GT 4 zur Positionsbestimmung auf nicht weniger als fünf Satellitensysteme zu. Neben Dualband-GPS sind dies Galileo, Beidou, GLONASS und QZDD. Ortung und Distanzmessung funktionierten im Test jedenfalls schnell und präzise – wenn auch nicht ganz auf dem Niveau der Garmin Epix Pro und der Apple Watch Ultra. Die Uhr ermittelt nicht nur die Länge von Strecken einwandfrei, sondern ist auch in der Lage, den Träger mit einfachen Navigationsanweisungen zum Ausgangspunkt einer Outdooraktivität zu führen („Back to Start“). Damit sind wir bei der Kernkompetenz der Watch GT 4 angelangt, den lobenswerten Sportfunktionen.



Watch GT 4: Für Sportler eine gute Wahl

Die Uhr bietet mehr als 100 Trainingsmodi. Vor allem Läufer kommen auf ihre Kosten. Neben der Messung typischer Werte wie Geschwindigkeit, Herzfrequenz und Kalorienverbrauch kann auf Wunsch einer von 13 Laufkursen absolviert werden, die Anleitungen zur Fettverbrennung, zu Intervallen oder zur Steigerung der Ausdauer enthalten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Auswertungen und Statistiken (z.B. anaerobe und aerobe Belastung, Trainingspensum, Trainingseffekt, Regenerationszeit), die man sonst nur von auf Sport spezialisierten Smartwatches kennt. Nicht so gut: Die Watch GT 4 gibt zwar im Trainingsprotokoll an, wie lange man sich nach jedem Training erholen sollte. Einen speziellen Bereich wie “Trainingszustand” oder “Trainingsbereitschaft” wie bei Garmin gibt es aber nicht.

Huawei Watch GT 4
Inklusive Armband bringt das getestete Modell mit Edelstahlarmband satte 129 Gramm auf die Waage – das kann beim Sport stören. © IMTEST

Nicht zuletzt berücksichtigt die Uhr persönliche Lauf- und Gesundheitsdaten und ist in der Lage, personalisierte Pläne zu erstellen. Der Huawei-Coachs scheint sich allerdings nicht an einer personalisierten Herzfrequenz, sondern an einem willkürlich zugewiesenen Grenzwert zu orientieren. Das bedeutet, dass wenn man eher hochpulsig unterwegs ist, von der GT 4 oft unnötiger Weise ausgebremst wird.

Gesundheit: Alles fit

Auch im Bereich „Gesundheit“ ist die Huawei Watch GT 4 gut aufgestellt. Sie misst die Herzfrequenz, die Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2), den Stresslevel, die Körpertemperatur, überwacht den Schlaf inklusive Atmung und erstellt ein EKG. Die EKG-Funktion zur Messung der Herzströme wurde dabei laut eigenen Angaben verbessert, um genauere Daten zu liefern. Noch nicht zum Standard zählt  ferner ein Temperatursensor, der helfen soll, mögliche Anzeichen von Fieber oder Krankheiten zu erkennen. Er misst allerdings nicht die Temperatur wie ein Fieberthermometer, sondern die Oberflächentemperatur der Haut. Im Durchschnitt liegt die angezeigte Temperatur bei einem gesunden Menschen um 31 Grad. Zeigt der Verlauf Ausschläge nach oben, könnte das auf eine Erkrankung hindeuten.

 Sportauswertung
Die Huawei Watch GT 4 ermittelt erfreulich viele Daten rund um Sportaktivitäten. © IMTEST

Die Huawei Watch GT 4 ist seit dem Update auf Harmony OS 4 zudem mit der App „Stay Fit“ ausgestattet. Diese ermöglicht auf Wunsch das Tracking von Mahlzeiten (Kohlenhydrate, Fette, Proteine, etc.). Dank der TrueScreen 5.5. Technologie soll die Smartwatch ferner eine genauere Bestimmung des Kalorienverbrauchs (Kalorienaufnahme in Echtzeit, aktive Kalorien, Ruhekalorien und Kaloriendefizit) ermöglichen. Das ist gut für Sportler, die besonders auf ihre Ernährung achten. Nicht zuletzt verspricht die GT 4 ein genaues Zyklusmonitoring, das es Frauen ermöglicht, die fruchtbaren Tage, den Eisprung und die Menstruation abzuschätzen.

Huawei Watch GT 4: Nicht sehr smart

Dagegen fallen die smarten Funktionen übersichtlich aus. Die Huawei Watch GT 4 ermöglicht lediglich Bluetooth-Anrufe über das gekoppelte Mobiltelefon, zeigt Kurznachrichten an und bietet Platz für bis zu 500 Songs im MP3-Format (nur Android). Da es sich jedoch um eine Huawei-Smartwatch handelt, kann sie aufgrund der China-Thematik keine grundlegenden Google-Dienste ausführen, selbst wenn man sie mit einem Android-Smartphone wie einem Google Pixel oder einem Samsung Galaxy koppelt. Praktische Apps wie der Google Assistant oder Google Maps sind also nicht an Bord. Stattdessen gibt es Alternativen von Huawei wie Celia und Petal Maps. Zwar nicht schlecht, aber längst nicht so gut wie die Google-Originale.



Auch beim Thema Messaging gibt es Abstriche. Die Watch GT 4 kann zwar Benachrichtigungen von Smartphone spiegeln und unter Android auch  vorgefertigte Antworten zurückschicken. Nicht möglich ist es aber, eigene Text zu tippen oder Sprachnachrichten aufzunehmen, wie es beispielsweise die Google Pixel Watch 2 oder die Samsung Galaxy Watch 6 beherrschen. Auch wenn man Huawei dafür aufgrund der politischen Umstände keinen direkten Vorwurf machen kann, ist das ein echter Nachteil.

Huawei Watchfaces
Immerhin die Auswahl an Ziffernblättern ist groß. Allerdings sind viele kostenpflichtig. © IMTEST

Damit nicht genug: Vermisst haben die Tester außerdem mobile Bezahloptionen sowie die Integration von Musik-Streaming-Diensten wie Spotify oder Amazon Music. Nicht zuletzt sieht es beim Thema Apps schwach aus: Huawei verspricht zwar durch die Anbindung der „AppGallery“ die Möglichkeit, Apps aus den Bereichen Musik, Fitness, Alltagstools und Reisen auf die Watch GT 4 herunterladen zu können und auf diese Weise die Smartwatch mit weiteren Funktionen ausstatten zu können. Das funktioniert aber nur a) nur auf Android-Smartphones und b) ist die App-Auswahl immer noch sehr übersichtlich. Große Namen wie Komoot, Strava und viele andere fehlen.  

Watch GT 4: Spitzenmäßige Akkulaufzeit

Die Apple Watch und die Samsung Galaxy Watch kämpfen traditionell mit einer sehr geringen Akkulaufzeit von nur rund 24 Stunden. Huawei hingegen verspricht für die 46-mm-Version eine Akkulaufzeit von bis zu 14 Tagen im Smart-Modus. Tatsächlich sind bei moderater Nutzung bis zu 12 Tage möglich. Selbst mit aktiviertem Always On-Display sind es bis zu 10 Tage – stark. Auch beim Sport beweist die GT 4 Ausdauer und hält mit eingeschaltetem Display und Satellitenortung rund 11 Stunden durch. Praktisch auch: Die Uhr lässt sich nicht nur mit dem proprietären, kabellosen Ladepuck aufladen, sondern auch mit handelsüblichen Qi-Ladegeräten.

Fazit

Mit der Watch GT 4 erfindet Huawei das Rad zwar nicht neu, bleibt aber seinen Stärken treu: Schicke Optik, sehr gute Akkulaufzeit und viele Fitness- und Gesundheitsdaten. Es gibt allerdings noch viel zu tun, um zu Garmin, Google und Samsung aufzuschließen. Insbesondere im Bereich der kontaktlosen Zahlungen, beim Thema Messaging und der Unterstützung von Drittanbietern für Offline-Musik. Speziell für iPhone-Nutzer ist die GT 4 nur eingeschränkt nutzbar. So ist es nicht möglich, Apps zu laden oder MP3s zu übertragen.

  • PRO
    • Top Akkulaufzeit, guter Bildschirm, umfassende Sport-Funktionen.
  • KONTRA
    • iPhone-Einschränkungen, keine Google-Dienste, maues App-Angebot.

IMTEST Ergebnis:

gut 2,0

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.